Marie Rossa: “Auch die Besten fangen auf Regionalebene an.”

Mit dem Seilspringen, das die meisten kennen, hat Rope Skipping nicht mehr viel zu tun.

Jedes Kind ist schon einmal Seil gesprungen. Doch mit dem Seilspringen das wir kennen hat Rope Skipping, die Sportart die Marie Rossa betreibt, nicht mehr viel zu tun. In unterschiedlichen Disziplinen messen sie und ihr Team sich auf internationalen Wettkämpfen und repräsentieren Deutschland in einer noch jungen und durch seine Schnelligkeit faszinierenden Sportart. Marie ist absoluter Profi in dem was sie tut. Im Interview hat sie uns mehr über ihre Leidenschaft zum Seil erzählt und wie sie eher zufällig zum Rope Skipping gekommen ist.

“Mit sieben Jahren war ich mit meiner Familie im Freibad. Beim Rausgehen hörten wir aus der benachbarten Halle laute Musik und haben nachgesehen. Dort fand gerade ein Wettkampf statt. Ich war so fasziniert, dass wir uns den ganzen Wettkampf angesehen haben und meine Eltern mir ein Seil kauften. Von dem Tag an war ich nur noch am Üben, sodass sie mich schließlich im Verein anmeldeten. Als ich neun Jahre alt war, wurde in Remshalden, wo ich wohne eine neue Wettkampfgruppe eröffnet, an der ich teilnehmen durfte. Bereits in meinem ersten Wettkampfjahr konnte ich mich für das deutsche Bundesfinale qualifizieren und wurde dadurch in den württembergischen Landeskader aufgenommen, wo ich auch meine drei Teamkameraden Julian, Alicia und Maria kennengelernt habe, die aus Zuffenhausen kommen. Seit 2012 springen wir in der Kategorie „Open“ (Mixed-Team) miteinander und dürfen Deutschland seit 2014 auch international vertreten.”

Wer sich mal einen Wettkampf im Rope Skipping ansieht, der wird die Grundlagen wahrscheinlich wieder erkennen. Athleten mit Seil in beiden Händen, die in rhythmischen und dynamischen Sprüngen dem Seil entgehen. Wer hier denkt, dass das ja nicht so schwer sein kann, der täuscht sich sehr.

“Für die unterschiedlichen Disziplinen sind Schnelligkeit, Ausdauer, Sprungkraft, Kreativität oder Beweglichkeit gefragt. Das Training wird nie langweilig, weil man immer eine neue Seilvariation entdeckt oder kreiert, die man üben und verändern kann. Ein guter Rope Skipper muss also auf jeden Fall kreativ sein. Ehrgeiz, Teamfähigkeit, Rhythmusgefühl und turnerische Grundlagen sehe ich auch als wichtige Fähigkeiten, die ein erfolgreicher Sportler mitbringen sollte.”
Quelle: European Rope Skipping Organisation (ERSO)
Quelle:European Rope Skipping Organisation (ERSO)

Rope Skipping ist weit mehr als einfach nur im Takt zu springen. Wie Marie uns erzählt, hat der Sport eine beeindruckende Menge an Variation in seinen unterschiedlichen Disziplinen.

“Im Rope Skipping gibt es die Einzel- und die Teamwettkämpfe, in denen unterschiedliche Disziplinen gezeigt werden. Beide Wettkämpfe beginnen mit den sogenannten Speed-Disziplinen, in denen es um Schnelligkeit geht. Hier springt man in einer vorgegebenen Zeit abwechselnd vom rechten auf das linke Bein. Gezählt wird hierbei immer der rechte Fuß, wenn er auf den Boden kommt. Man benutzt hierfür ein sehr dünnes Stahlseil mit Kugellager an den Griffen, das leichter zu schwingen ist, da ein „normales“ Gummiseil zu schwer wäre.”

Wenn man bedenkt, dass der deutsche Rekord im Einzelwettkampf bei 104 Zählern mit dem rechten Fuß in 30 Sekunden liegt, was insgesamt 208 Seilumdrehungen entspricht, also fast 7 Umdrehungen pro Sekunde, wird schnell klar, warum die Materialwahl so eine große Rolle spielt. Doch nicht nur die Geschwindigkeit ist faszinierend beim Rope Skipping. 

“Anschließend an die Speed-Disziplinen geht es im Freestyle-Event darum, auf Musik möglichst schwierige Sprünge kreativ darzubieten und diese mit turnerischen Elementen zu verbinden. Die Kampfrichter bewerten hier zum einen die Kreativität, also wie die Musikakzente genutzt wurden, ob der Springer oder das Team etwas zeigt, was nicht geläufig ist, und zum anderen die Schwierigkeit der einzelnen Sprünge. Im Team wird zudem nur das gezählt, was alle Springer synchron zeigen. Im Team gibt es noch zwei Double Dutch Disziplinen. Dabei werden zwei lange Seile von zwei Schwingern gegeneinander geschwungen. Im Seil kann man nun turnen, in Handstände springen oder Saltos machen und auch hier bewerten die Kampfrichter die Musikumsetzung, das Level der gezeigten Sprünge und die Kreativität. Meine Lieblingsdisziplin ist der sogenannte „Single Rope Team Freestyle“. Hier steht das Team zu viert mit dem Einzelseil auf der Fläche und alle Sprünge müssen synchron zur Musik ausgeführt werden.”
Photo: Ingo Reinhardt
Photo: Ingo Reinhardt

Während die Speed-Disziplinen also pure sportliche Fähigkeit prüfen, wird beim Freestyle ähnlich dem Turmspringen oder Eiskunstlauf das technische Talent auf die Probe gestellt. Rope Skipping ist ein beeindruckender Sport, fernab vom Seilspringen, wie wir es vom Schulhof kennen. Doch die noch geringe Popularität führt dazu, dass viele gar nicht wissen was sich hinter der Sportart verbirgt. 

“Den meisten Leuten ist Rope Skipping kein Begriff. Wenn man dann sagt ‘Seilspringen’ antworten die meisten mit Aussagen wie ‘das bisschen Rumspringen ist doch kein Sport’ oder ‘das habe ich früher auf dem Schulhof auch mal gemacht’. Wenn sie dann aber sehen, was sich wirklich dahinter verbirgt, sind viele fasziniert und erstaunt und interessieren sich auch wirklich sehr. Trotzdem ist Fakt, dass Rope Skipping eine Randsportart ist und die geläufigeren Sportarten mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit bekommen und allgemein auch mehr Präsenz haben. Ich finde es aber schön zu sehen, wie Rope Skipping zunehmend mehr Präsenz und mehr Aufmerksamkeit durch Auftritte verschiedener Gruppen in den Medien oder auf Festen und Feiern bekommt und sich verbreitet.”

Auch Marie spielt hierbei eine eigene Rolle. Als international erfolgreiche Athletin im Rope Skipping erzeugt sie mit ihren beeindruckenden Erfolgen selbst mehr und mehr Aufmerksamkeit für ihre Randsportart. Schon seit den frühsten Momenten ihrer Karriere ist Marie stetig aufgestiegen.

“Im Rope Skipping muss man sich jedes Jahr neu von Ebene zu Ebene qualifizieren. Auch die besten Wettkämpfer fangen auf Regionalebene an und qualifizieren sich von dort aus erst auf Landesebene, dann auf Nationalebene und wenn man hier unter die drei besten kommt auf die internationale Ebene. Im Einzel konnte ich mich von Beginn an jedes Jahr auf die nationale Ebene qualifizieren und war hier mehrmals unter den besten 5 Springerinnen meiner Altersklasse. 2018 konnte ich mich im Einzel erstmals auf die internationale Ebene qualifizieren und durfte meine Lieblingsdisziplin, den Freestyle, auf der Weltmeisterschaft in Shanghai zeigen, was für mich eine super tolle und aufregende Erfahrung war.”
Marie Rossa
Quelle: Privat Marie Rossa
“Im Teamwettkampf konnten wir direkt im ersten gemeinsamen Wettkampfjahr die deutschen Meisterschaften gewinnen und sind seit 2014 fester Teil der Nationalmannschaft. Mein schönstes Erlebnis war die Europameisterschaft 2017 in Portugal. Wir wurden Europameister in der Disziplin ‘Single Rope Speed Relay’, was für mich einfach unbeschreiblich war und meinen größten Traum erfüllte.”

Marie ist ihr Traum vom Sport enorm wichtig. Doch auch wenn ihr früher schulischer und universitärer Alltag und heute ihr Beruf mit dem Rope Skipping Hand in Hand gehen müssen, stellt für sie das keine Belastung sondern ein willkommener Ausgleich dar. 

“Ich hatte immer das Glück, dass sowohl meine Eltern als auch meine Lehrer hinter mir standen und Verständnis hatten, wenn ich ein paar Tage von der Schule freigestellt werden musste. Auch im Studium konnte ich das Lernen und den Sport gut vereinen. Nun arbeite ich seit September in einer Kita und habe natürlich bei den Bewerbungen auch geschaut, dass die Kita Öffnungszeiten hat, die sich gut mit dem Training vereinbaren lassen. Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass man den Sport nicht als zusätzliche Belastung zum Alltag sieht, sondern als Ausgleich für sich nutzen kann.”

Was ihre Sportart an sich betrifft, ist Marie optimistisch. Während Rope Skipping noch vor wenigen Jahren eine neue Disziplin war, von der die wenigsten gehört hatten, breitet der Sport sich heute immer weiter aus und findet mehr und mehr faszinierte Anhänger. 

“Dadurch, dass Rope Skipping noch eine recht junge Sportart ist, sehe ich noch echt viele Entwicklungschancen für die Sportart. Mittlerweile gibt es Projekte, zum Beispiel das der Deutschen Herzstiftung, die Rope Skipping in die Schulen bringt, um Kindern einfache Möglichkeiten zu zeigen, sich mehr zu bewegen, was auch sehr gut angenommen wird. Die Kinder haben einen Morgen lang Zeit, verschiedene Seilarten und Sprünge in der Klasse auszuprobieren und es dann anschließend ihren Eltern vorzuführen und sind meist mit viel Begeisterung bei der Sache. Projekte wie dieses sehe ich als eine gute Möglichkeit, Rope Skipping bekannter zu machen.”
Maria Rossa - Foto Achim Toscani
Photo: Achim Toscani

Doch auch für die erfolgreiche Athletin ist klar, es kann noch viel mehr getan werden, um Rope Skipping zu helfen, weitere Akzeptanz in der deutschen Sportwelt zu finden.

“Da Rope Skipping eine Randsportart ist und ein Großteil der Kosten von den Sportlern selbst getragen werden muss, würde ich mir mehr finanzielle Unterstützung und Förderung von den Verbänden wünschen.”

Bis es dazu kommt, gibt Marie jedoch nicht auf. Als bewährter Profi ihrer Sportart, sowie Fürsprecher dafür viele Kinder mit dem Sport zu begeistern, hat Marie Rossa bereits sich als auch ihrem Sport einen Namen gemacht. Wir wünschen ihr viel Erfolg im weiteren Verlauf ihrer Karriere und im Besonderen, dass die Weltmeisterschaft in Kanada, die ihr nächstes großes Ziel ist, trotz der aktuellen Pandemie sicher stattfinden kann.


louisa

Autor

louisa

Autorin und Mitgründerin von Athlet.one

Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!