Nina Müller feierte im Sommer 2019 mit dem Deutschen Pokalsieg das perfekte Ende ihrer Handballkarriere. Nach 39 Jahren nur Handball im Kopf ("Ich hatte 39 Jahre nur Handball im Kopf") musste dann doch irgendwann einmal etwas anderes ihr Leben bestimmen.
„Körperlich fühlte ich mich und fühle ich mich jetzt immer noch fit und der Spaß am Handball ist mir auch noch nicht vergangen, aber ich denke jetzt war einfach der Zeitpunkt gekommen das Leben neu auszurichten.“
Um sich nach vielen Jahren etwas abseits vom Handball aufzubauen, entschied sich Nina für eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau in einem Biomarkt in Leipzig. Hier fühlt sie sich absolut wohl und kann sich durch ihre vegane Ernährung mit den Produkten und vielen Kunden identifizieren. Die Zeit in der Berufsschule ist natürlich etwas Besonderes, so ist sie wie nicht anders zu erwarten mit Abstand die Älteste in der Klasse.
„Es war anfangs natürlich eine ungewohnte Situation. Meine Schulzeit ist eben schon echt lange her. Aber es war von Anfang an klar für mich, wenn ich arbeiten möchte, benötige ich eine Ausbildung. Ich freue mich über die Möglichkeit das nun nach meiner Leistungssport Karriere machen zu können.“
Bei aller Freude über die Ausbildung fällt es Nina aber doch immer noch schwer, wenn die Handball WM im Fernsehen läuft oder die Mannschaft ihrer Frau Susann in Berlin spielt. Da vermisst sie den klebrigen Ball in ihrer Hand schon. Dennoch ist sie sich sicher, dass es jetzt die richtige Entscheidung war ihre Karriere zu beenden.
Mit dem Ende ihrer Karriere hat sich Nina Müller aber nicht nur von ihrem Sport verabschiedet, sondern auch von vielen jahrelangen sozialen Kontakten. In vielen Vereinen hat sie Freundschaften fürs Leben geknüpft. Freundschaften, die sie halten will, die sich ohne das regelmäßige Training und die Spiele aber wesentlich schwieriger halten lassen. Trotzdem: “Ich bin dankbar für jede Sekunden, für jeden Verein.”
Denn Sport ist mehr als Bewegung und Gesundheit. Gerade im Mannschaftssport ist die Gemeinschaft ein hohes Gut. Man gewinnt gemeinsam und man verliert gemeinsam. Und diese Gemeinschaft überwindet die Grenzen. In den Mannschaften in denen Nina aktiv war spielten unter Anderem Athletinnen aus Brasilien, Spanien, Ungarn, Skandinavien und Frankreich. Es kam zum kulturellen Austausch. Sie lernte viel über die anderen Kulturen, Sitten und auch einige Sprachen lernte die Vollblut-Handballerin kennen. Vor allem die brasilianischen Spielerinnen waren mit solcher Leidenschaft für den Sport dabei, da konnte sie sich einiges mitnehmen.
Den Absprung dann nach so vielen Jahren im Leistungssport zu finden, ist nicht leicht. “Vor allem, wenn du körperlich fit bist”, sagt Nina. „Aber irgendwann muss Schluss sein. Man kann nicht ewig Handball spielen.” Nach und nach dem geliebten Sport zu entsagen kam für Nina nicht in Frage. Ein oder zweimal in einer Mannschaft mittrainieren? Nein. “Ganz oder gar nicht”, war die harte Entscheidung. Ihre eigene Entscheidung. Mittlerweile konnte man die 39-Jährige jedoch schon wieder ein paar Mal in der 2. Frauen Handball Bundesliga auflaufen sehen, für das Team der Spree Füchse Berlin, welches von ihrer Frau Susann Müller trainiert wird und zeitweise Personalmangel hatte. Doch das sollte kein Dauerzustand werden. Aber ganz auf Sport wollte sie auch nicht verzichten, zumal sie ja körperlich noch absolut fit ist. Ihr Körper braucht Bewegung und so fand sie im Laufen ein neues Hobby für sich. Ihr erstes größeres Trainingsziel war der Halbmarathon in Berlin, auf den Nina fleißig hinarbeitete. Denn gerade für Sportler sind nach dem Karriereende Ziele enorm wichtig, um in kein Loch zu fallen. Bei Nina sind diese Ziele neben der Ausbildung auch heute noch sportlicher Natur. Nachdem der Marathon allerdings wegen der Entwicklungen des Corona-Virus abgesagt werden musste, gibt Nina nicht einfach auf sondern trainiert weiter und hofft einen neuen Wettbewerb zu finden, den sie in den Fokus nehmen kann. So bleibt also nach 39 Jahren nach wie vor das Denken einer Leistungssportlerin in ihr.
Autor
louisa
Autorin und Mitgründerin von Athlet.one
Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!