Jan Zimmermann ist 27 Jahre alt und spielt seit 2014 in der deutschen Nationalmannschaft Volleyball. In seiner Karriere hat er oft den Verein gewechselt, hat mehrmals im Ausland gespielt. Das ständige Weiterziehen gehört für ihn zum Profisport dazu. Neben Erfolgen musste er auch manche Niederlage hinnehmen. Trotzdem ging seine Karriere stetig aufwärts, weil er sich nicht unterkriegen ließ und immer dranblieb.
Bis zu seinem Abitur spielte Jan in seinem Heimatverein dem TV Rottenburg. Er hatte bei dem Erstligisten schon einige Möglichkeiten, seinen Sport professionell zu betreiben und sich als junger Spieler weiterzuentwickeln.
Ich hatte zwar mit 16 das Angebot bekommen, nach Friedrichshafen zu gehen, letztendlich waren zu diesem Zeitpunkt für mich aber die Möglichkeiten in Rottenburg genauso gut wie im Internat in Friedrichshafen. Ich hatte mit Hans Peter Müller-Angstenberger einen Trainer, der alles ein bisschen gemanagt hat. Die Schule war sehr entgegenkommend und so konnten damals der Schulplan und unserer Trainingsplan aufeinander angepasst werden. Dadurch konnten wir zweimal am Tag trainieren und es war relativ optimiert mit der Schule. Natürlich war das alles auch eine Kostenfrage mit dem Internat. Die Überlegung war, ob ich wirklich so einen großen Vorteil haben würde, wenn ich von zu Hause weg gehe. Auch heute bin ich mir sicher, dass es für mich die richtige Entscheidung war, den Schritt nicht zu machen. Ich würde alles genauso wieder machen, weil es super funktioniert hat.
Erst nach seinem Abitur wechselte er nach Berlin. Die Entscheidungen traf er damals nicht allein. Hans Peter Müller-Angstenberger ist für Jan eine Art Mentor, der ihn nicht nur in seiner Zeit in Rottenburg stark geprägt hat, sondern auch heute noch viele Entscheidungen mitträgt.
Hans war mit Sicherheit einer der persönlich prägenden Personen in meiner Karriere. Er hat mich auf die richtigen Wege geleitet und war sehr hilfreich. Besonders in jungen Jahren war es wichtig, jemanden an der Seite zu haben, um eine Balance zu finden zwischen dem Leben als Profisportler aber immer noch auch dem eines Jugendlichen. Und da war er eben für mich schon sehr wichtig. Ich schätze ihn sehr, auch als Person. Er hat damals auch gesehen, dass ich es vielleicht schaffen kann, dass ich ein bisschen weiter bin als andere in meinem Alter und hat mich auch dementsprechend an die Bundesliga herangeführt. Es gibt viele Spieleragenten, die einem helfen wollen. Aber niemand kennt einen von Grund auf an und vielleicht auch die familiären Hintergründe. Deswegen bin ich froh, dass Hans damals da war und mir immer noch bei Fragen zu Seite steht.
Nach der Schule war Jan ein Jahr in Berlin und wechselte dann zum deutschen Meister nach Friedrichshafen. Anschließend spielte er drei Saisons in Frankfurt. Dort machte er nicht nur sportlich gute Erfahrungen.
Die Chemie in der Mannschaft hat einfach super gestimmt. Man sieht sehr schnell, dass manchmal sehr gute Einzelspieler in der Mannschaft nicht gut funktionieren. Ein gutes Mannschaftsgefüge ist wichtig, da muss es einfach Klick machen. Natürlich ist das immer auch ein bisschen Glückssache. Das sind Charakter, die zusammenpassen müssen. Bei uns war es gut, dass wir damals als Kapitän einen älteren Spieler hatten, der die Ansprüche immer hochgehalten hat, und versucht hat, uns zu pushen. Das hat sehr gut funktioniert. Bei uns war es auch so, dass wir die Kombination aus nett zueinander sein und alles gut hinzukriegen auf der einen Seite und aber fordernd zu bleiben auf der anderen Seite ganz gut hinbekommen haben.
Nach der erfolgreichen Zeit in Frankfurt wechselte Jan zum ersten Mal ins Ausland zum französischen Club Stade Poitevin Poitiers. Für ihn ein wichtiger Schritt in seiner Karriere.
Ich bin sehr glücklich, dass ich das gemacht habe. Ich war damals 23 und es war für meine persönliche Entwicklung sehr wichtig. Einfach mal aus der eigenen Komfortzone rausgehen, in so ein unbekanntes Umfeld kommen. Vor allem in Frankreich war es für mich mit der Sprache nicht so einfach. Die Franzosen haben nicht wirklich viel Rücksicht genommen und so habe ich die Sprache relativ schnell lernen müssen, obwohl ich miserabel war in der Schule. Ich glaube, inzwischen kann ich mich aber ganz gut verständigen.
Grund für den Schritt war in erster Linie meine persönlichen Entwicklung. Außerdem war die französische Liga einfach besser. Es war aber auch ein ganz anderes Klima, eine ganz andere Trainingsart und eine ganz andere Art von Spielern. Es waren mehr ältere Spieler unterwegs, die erfahrener waren, und die auch schon länger in der Liga waren.
Nach seiner Zeit in Frankreich wechselte er nach Berlin. Mit dem damaligen mehrfachen deutschen Meister wollte er in der Champions League spielen. Sportlich gesehen, war die Zeit in der Hauptstadt aber nicht nur eine einfache Erfahrung. Doch auch das gehört zum Sport. Die Kunst ist es, daraus zu lernen, meint Jan.
Es gibt ein Zitat von Michael Jordan, dass man als Sportler an jeder Niederlage und an jedem Scheitern wächst. Als es für mich in der letzten Saison nicht so gut lief, - teilweise habe ich nicht meine optimale Leistung gebracht, teilweise lag es auch an anderen Umständen - habe ich angefangen mich zu hinterfragen. Das gehört auch irgendwie dazu. Ich denke ich habe mich da persönlich in eine gute Richtung entwickelt. Man muss einfach den richtigen Weg finden, mit Scheitern, Niederlagen und Rückschlägen umzugehen. Bei mir war es das Scheitern an der persönlichen Leistung. Ich bin nicht glücklich darüber, wie es gelaufen ist. Natürlich wäre ich lieber erfolgreich gewesen. Aber es hat mich auch weitergebracht, da bin ich ganz sicher. Jeder muss in so einer Situation positiv bleiben und seine Schlüsse für sich selbst daraus ziehen. Und man muss nach vorne sehen, denn es ist auch kein Weltuntergang. Es geht immer weiter, wenn man seinen Kopf richtig einstellt.
Kurz vor Ende der Saison in Berlin wechselte Jan erneut ins Ausland. Er spielte die Saison in Belgien zu Ende und wurde innerhalb von acht Wochen noch belgischer Meister. Eine weitere Saison spielte er bis zum Abbruch in diesem März für den belgischen Verein VC Greenyard Maaseik. Im Sommer wird er zum Italienischen Club Sir Safety Perugia Volley wechseln. Der ständige Wechsel von Mannschaft und Wohnort der für viele Sportler zu der Karriere im Leistungssport dazugehört, ist auch für Jan normal. Immer einfach ist das aber noch lange nicht.
Diese Schnelllebigkeit ist in unserem Business sehr präsent. In den letzten Jahren war ich nie länger an einem Ort als zwei Jahre. Für mich ging es mit jedem Wechsel auch immer einen Schritt nach vorne. Es hat alles seine Vor- und Nachteile denke ich. Man fühlt sich schon ein bisschen wie wenn man kein richtiges Zuhause hat. Ständig geht es wieder an einen neuen Ort, man baut einen Freundeskreis auf, lebt in einer Wohnung und ein paar Saisons später zieht man eben weiter. Die guten Freundschaften und Kontakte entwickeln sich eigentlich nur im Sommer, wenn ich immer mit der Nationalmannschaft unterwegs bin.
Die größte Herausforderung für viele Profisportler ist es aber, neben dem Sport eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren. Diese Doppelbelastung hat Jan schon hinter sich gebracht.
Ich habe jetzt nach sechs Jahren mein Bachelor-Studium International Management an der Hochschule Ansbach abgeschlossen. Ich habe das nebenher gemacht und bin auch froh, dass ich mir dieses zweite Standbein aufgebaut habe. Es war zeitweise nicht so einfach, den Sport mit einem Studium zu vereinen, aber wenn man dranbleibt, ist es definitiv möglich.
Neben seiner Laufbahn in der Bundesliga und für ausländische Clubs, schaffte er zudem schon früh den Sprung von der Junioren- zur Herren Nationalmannschaft.
Ich habe für die Junioren beispielsweise schon bei der U21 Weltmeisterschaft in Rio de Janeiro gespielt. Der Sprung zur Herren Nationalmannschaft ging für mich dann relativ schnell, da ich schon in der Bundesliga aktiv war. Ich hatte auch ein bisschen Glück mit meiner Position. Es kommt eben auch immer drauf an, wen es neben dir in Deutschland auf dieser Position gibt und vor allem auch wie viel Nachwuchs. Ich habe zu einem guten Verein gewechselt mit einem sehr guten Trainer. Von Verbandsseite wurde ich auch gut unterstützt, den Sprung in die A Nationalmannschaft zu machen. Der Deutscher Volleyball Verband ist gut organisiert und ich bin auf jeden Fall sehr glücklich, dass das alles für mich so möglich war.
Seither ist Jan fester Bestandteil der Nationalmannschaft und konnte mit dem Team bei der Europameisterschaft 2017 die Silbermedaille holen. Für den leidenschaftlichen Sportler hat die Corona-Pandemie auch ganz neue Herausforderungen mit sich gebracht. Nachdem die Saison in Belgien vorzeitig abgebrochen wurde, ist Jan derzeit wieder zu Hause in Deutschland. Doch auch in Corona-Zeiten blickt Jan nach vorne und setzt sich seine eigenen Ziele.
Es ist derzeit nicht so einfach. Ich versuche, die Zeit so gut wie möglich zu nutzen für meinen Körper. Ich arbeite an meinen Schwachstellen. Mental ist es aber nicht so einfach, weil einfach die kurzfristigen Ziele fehlen. Dadurch, dass ich für nächstes Jahr einen Vertrag habe, habe ich mir aber selbst ein paar Ziele gesteckt und versuche, die auch zu verfolgen. Ich bereite mich jetzt auf die Sprache dort vor. Dazu will ich körperlich in einer sehr guten Verfassung sein, wenn die Vorbereitung losgeht. Es ist ein guter Club, deswegen wird es eine lange und harte Saison. Dann möchte ich natürlich sportlich auf das bestmögliche Niveau kommen, das ich gerade leisten kann. Da kann man glaube ich immer einen Schritt nach vorne machen. Auf die neue Saison will ich gut vorbereitet sein, weil das Risiko schon groß ist, dass man jetzt in ein Loch fällt. Das soll mir nicht passieren. Ich habe aber ehrlich gesagt kein so großes Problem, mich zu motivieren, weil das auch einfach mein Naturell ist. Trotzdem bin ich froh, wenn ich bald wieder richtig mit Ball trainieren kann. Es ist jetzt das erste Mal, seit ich Nationalspieler bin, dass ich mal acht Wochen frei habe. Seitdem die Saison abgebrochen wurde, habe ich immer nur alleine trainiert. Das reicht mir jetzt auch langsam.
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Autor
louisa
Autorin und Mitgründerin von Athlet.one
Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!