Janina Zeitler ist 19 Jahre alt und kommt aus München. Surfen ist ihre große Leidenschaft, denn seit sie im Sommer 2012 damit begann, kann sie sich ein Leben ohne den Sport nicht mehr vorstellen. Inzwischen ist sie Europameisterin und Deutsche Meisterin und hat viele weitere Surfwettbewerbe gewonnen.
Zum Surfen kam Janina nicht etwa durch Geschwister oder Freunde. Die Inspiration gab letztlich ein Film.
Eigentlich hat mich meine Freundin auf die Idee gebracht. Damals lief gerade der Film Soul Surfer und ich fand das Surfen und den Lifestyle total cool. Also haben wir beschlossen, das einfach gemeinsam mal auszuprobieren und als Münchnerin liegt es ja nahe, die ersten Steps am Fluss zu machen. Ich war von Anfang an total begeistert, obwohl ich zugegebenermaßen zu Beginn nicht direkt der Senkrechtstarter war. Ein Jahr später habe ich dann begonnen, auch am Meer zu surfen. Mittlerweile nehme ich regelmäßig an Wettkämpfen im Meer (Open Water) und auf stehenden Wellen (Rapid Surfen) teil.
Für den Laien scheint es ein und dasselbe zu sein, aber die Kombination der unterschiedlichen Surfarten ist gar nicht so einfach.
Es ist sehr stressig für mich, am Meer und auf der stehenden Welle Contests zu surfen. Die Anforderungen und das Training sind ganz unterschiedlich und die beiden Disziplinen wechseln sich ja immer ab. In der Disziplin „Open Water“ habe ich natürlich Nachteile, weil ich nur in den Schulferien am Meer trainieren kann. Es dauert meistens ein paar Tage, bis ich mich am Meer wieder „eingesurft“ habe und die Routine wieder da ist. Am Fluss kann ich mich mittlerweile problemlos nach wenigen Fahrten umstellen. Allerdings dauert es auch etwas, bis ich wieder alle Sprünge sicher stehe.
Für Janina bringt es aber auch Vorteile mit sich, dass sie am Meer und auf der stehenden Welle im Fluss surfen kann.
Meiner Meinung nach ist der besondere Style vom Meersurfen unheimlich wichtig. Deshalb bringe ich viele Moves vom Meersurfen wie z.B. Cutbacks, Snaps und tiefe Bottumturns, auch auf der stehenden Welle und kombiniere sie mit gesprungenen Moves und anderen Elementen vom Stationary Wave Riding. Ich denke, das macht das Surfen auf der Kunstwelle nicht so eindimensional und ich trainiere damit gleichzeitig die Moves für das Surfen am Meer. So gesehen ist die Mischung aus beiden Disziplinen eigentlich perfekt für mich.
Der Sprung in die Profi-Liga war erst gar nicht geplant und hat sich eigentlich ganz zufällig ergeben.
Ich war mit meiner Freundin bei Surf & Style am Flughafen in München. Das ist ein Surfwettbewerb für Anfänger und Profis mit Kür des Europameisters. Die Surfslots waren immer sehr schwer zu bekommen, deshalb habe ich mich einfach für die Europameisterschaft im Stationary Wave Riding angemeldet, weil es für die EM-Teilnehmer drei Trainingsmöglichkeiten auf der Citywave gab. Beim Wettbewerb habe ich dann ein Mädel kennen gelernt, die schon länger Mitglied im deutschen Nationalteam war. Sie meinte, dass im September immer die Deutsche Meisterschaft in Saint Girons an der französischen Atlantikküste stattfindet und ich da unbedingt mitmachen sollte, weil es viel zu wenig Mädchen in Deutschland gibt, die Surfen. In diesem Jahr hatten wir sowieso einen Familienurlaub in Saint Girons um diese Zeit gebucht, deshalb dachte ich mir: warum nicht? Ist ja vielleicht ganz spannend. Natürlich möchte man bei einem Wettbewerb auch gut abschneiden und so habe ich angefangen, mein Niveau immer mehr zu steigern.
Doch das sagt sich leichter, als getan. Denn Janina ist schließlich noch Schülerin und muss neben den Wettkämpfen und dem Training auch noch fürs Abitur lernen.
Ehrlich gesagt, ist das schon eine große Herausforderung und sehr anstrengend für mich. Nach Wettbewerben muss ich natürlich sofort am Tag danach wieder in die Schule. Das heißt nach der Siegerehrung sofort zum Flughafen und zurück nach München. Ich bin dann oft erst mitten in der Nacht zu Hause und muss um 6 Uhr wieder raus, damit ich pünktlich in der Schule bin. Ich besuche eine Ganztagsschule und kann erst abends nach allen schulischen Pflichten auf die Welle. Unter der Woche trainiere ich immer in der Jochen Schweizer Arena, kann aber wegen der Schule erst die Slots um 20.30 Uhr oder 21.15 Uhr besuchen. Zu dieser Zeit ist es für mich deutlich schwerer, neue Moves zu lernen und nochmal Vollgas zu geben, weil ein anstrengender Schultag durchaus Spuren hinterlässt. Hinzu kommt noch, dass es zu diesen Zeiten immer sehr voll ist, da ja auch noch andere Surfer nach der Arbeit diese Slots besuchen. Deshalb sind die Wartezeiten relativ lang, bis man selbst wieder an der Reihe ist. Meine Schule ist wirklich sehr großzügig und unterstützt mich mit Schulbefreiungen für Wettbewerbe oder Trainingsaufenthalte. Aber das ist nur möglich, wenn ich den versäumten Unterrichtsstoff nachhole und meine schulischen Leistungen passen.
Das Surf-Pensum zu reduzieren, kommt für Janina nicht in Frage. Schließlich gilt diesem Sport ihre ganze Leidenschaft.
Eigentlich habe ich mich schon von klein auf mit Wasser sehr stark verbunden gefühlt. Meine Eltern sind beide Windsurfer und haben mich schon sehr früh auf ein Windsurfboard gestellt. Beim Surfen fühle ich mich einfach frei, glücklich und ich mag die Herausforderung, weil jede Welle anders ist. Dieses Gefühl ist natürlich beim Surfen am Meer ganz besonders ausgeprägt.
Wenn man an das Leben in Bayerns Hauptstadt denkt, denkt man vielleicht nicht direkt an das Leben einer jungen Surferin. Aber auch wenn Deutschland keine Surf-Nation ist, gibt es für Janina genug Möglichkeiten in ihrer Heimat zu trainieren.
Da ich ja in München wohne, ist mein Homespot, der Eisbach (ein Abzweig der Isar im Englischen Garten in München). Außerdem bin ich im Team von Citywave und Jochen Schweizer. Die Jochen Schweizer Arena bei München ist für mich eine super Möglichkeit, das Board-Gefühl ständig zu trainieren beziehungsweise weiter zu entwickeln und neue Moves zu lernen. Ich denke, um sich ständig zu verbessern, ist es sehr wichtig, unterschiedliche Wellen zu surfen. Dies gilt insbesondere für das „Stationary Wave Riding“. Wenn man nur auf der planen Kunstwelle surft, ist es am Fluss trotzdem schwer, weil der Druck und die Steilheit der jeweiligen Welle ganz unterschiedlich ist.
Der Eisbach als Trainingsmöglichkeit vor der Haustür ist sehr praktisch für Janina. Er bringt aber als öffentlicher Hotspot auch seine Nachteile mit sich.
Ich bin meistens am Samstag und Sonntag nachmittags am Bach zur „Prime Time“, da ist es schon immer sehr voll und man muss relativ lange warten. Allerdings kann ich von beiden Seiten ins Wasser, so kann ich mir zumindest die Seite aussuchen, wo weniger Leute stehen. Durch die Wartezeiten ist es natürlich deutlich schwerer, fokussiert und konzentriert zu bleiben. Die vielen Zuschauer stören mich dabei nicht, ich nehme die Leute eigentlich nicht wirklich wahr und kann das komplett ausblenden. Außerdem hilft mir das auch für Wettkämpfe, da sind ebenfalls viele Zuschauer und ich kann da ganz gelassen bleiben, weil ich es ja vom Eisbach auch nicht anders kenne. Ich bin im Surf Team der Jochen Schweizer Arena und einmal die Woche gibt es für uns einen Trainingsslot und Citywave stellt uns einmal im Monat einen Trainingsslot zur Verfügung. Da sind dann nur wenige Surfer, die den Sport wettkampfmäßig und auf hohem Niveau betreiben. Der Durchsatz ist da sehr hoch und man hat somit wirklich gute Trainingsmöglichkeiten um weiter voran zu kommen.
Sportliche Erfolge hat Janina schon viele erlangt, obwohl sie noch keine zehn Jahre mit dabei ist.
Meine größten sportlichen „Highlights“ waren neben dem Titelgewinn der Europameisterschaft im „Stationay Wave Riding“ im Jahr 2016, die Teilnahmen an den ISA (International Surfing Association) Weltmeisterschaften in Japan und in den USA, sowie die ISA Europameisterschaft in Portugal 2018. Für mich war es etwas ganz Besonderes, Teil des Deutschen National Teams zu sein, um Deutschland zu vertreten.
Und ihre Karriere auf dem Wasser ist noch lange nicht vorbei, derzeit beendet Janina ihre Schullaufbahn.
Nach meinem Abitur möchte ich mich eine Zeit lang ausschließlich auf meinen Sport konzentrieren. Hierzu gehört im Bereich Open Water die Teilnahme an der Wettkampfreihe der WSL QS und im Rapid Surfen, die Wettkampfreihe der Rapid Surf League und der Citywave Pro World Tour inklusive der entsprechenden Vorbereitung. Anschließend strebe ich ein Fernstudium an, damit ich meinen Sport weiterhin professionell betreiben kann.
Leider ist die Sportlerförderung in Deutschland im Bereich Surfen sehr begrenzt. Die nur wenig zur Verfügung stehenden Plätze sind im Moment ausschließlich an Surfer vergeben, die im Ausland aufgewachsen sind, oder fest am Meer wohnen. Sie haben natürlich die entsprechenden Trainingsmöglichkeiten vor Ort und können somit wesentlich mehr Zeit auf dem Wasser verbringen.
Und auch die Corona-Pandemie macht die Situation für eine Surferin in München nicht wirklich einfacher.
Ich war jetzt seit dem „Lock Down“ vor knapp neun Wochen nicht mehr auf dem Wasser. Ich versuche mich aber zu Hause unter anderem mit Workout, Slack Line und Indo Board fit zu halten, aber natürlich kann das mein normales Training auf der Welle nicht ersetzen. Ansonsten nutze ich jetzt einfach die Zeit, um mich auf meine Abitur-Prüfung im Juni vorzubereiten.
Die junge Surferin feierte trotz Doppelbelastung und geringer Förderung schon einige beachtliche Erfolge. Durch das erfolgreiche Beenden ihrer schulischen Laufbahn wird sie sich noch stärker auf ihre Leidenschaft auf dem Wasser konzentrieren können und wir sind gespannt was wir von der Münchnerin in Zukunft noch hören werden.
Autor
louisa
Autorin und Mitgründerin von Athlet.one
Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!