Nina Müller: "Ich hatte 39 Jahre nur Handball im Kopf."

Nina Müller (geb. Wörz), über ihre Karriere im Leistungssport und ihrer Leidenschaft zum Handball.

Nina Müller (geb. Wörz) 39 Jahre alt, über ihre Karriere im Leistungssport und wie eine gemeinsame Leidenschaft Menschen aus den verschiedensten Nationen verbinden kann. “Aufgewachsen bin ich in Schwanewede, dort habe ich durch meine Mutter auch mit dem Handballspielen begonnen. Mit 16 Jahren wechselte ich von meinem Heimverein zum VFL Oldenburg, wo ich mein erstes Spiel in der ersten Bundesliga bestritt. Parallel zum Bundesligateam spielte ich auch für die Jugendmannschaft von Oldenburg. Der Schritt in die Bundesliga bedeutete für mich jedoch auch den Umzug und Schulwechsel von Bremen nach Oldenburg, da das fahrtechnisch mit 16 einfach nicht anders möglich war. Die Situation war natürlich komplett neu für mich. Neuer Verein, neue Schule, neues Zuhause, doch ich wollte Handballspielen. Glücklicherweise bekam ich die Möglichkeit mit einer Mitspielerin in eine WG zu ziehen, so war ich nicht ganz alleine und hatte immer jemanden der sich um mich kümmerte. 


Insgesamt habe ich drei Jahre in Oldenburg gespielt und wechselte nach meinem Abitur im Jahr 2000 zum HC Leipzig. Dort fing ich nebenher ein Sportstudium an, welches ich jedoch nicht beendete. In den sechs erfolgreichen Jahren, die ich in Leipzig spielte, wurden wir zweimal Deutscher Meister und einmal Pokalsieger. Einer meiner größten Träume war es aber immer einmal in Dänemark zu spielen. Die dänische Liga galt zu dieser Zeit als die stärkste Liga der Welt und genau dort wollte ich hin. Wegen Dänemark hatte ich sogar eine Klausel in meinem Vertrag mit Leipzig. Deshalb war ich auch überglücklich als ich 2006 die Möglichkeit hatte, zusammen mit meinem damaligen Trainer aus Leipzig nach Dänemark zu gehen und für die Randers HK spielen zu dürfen. Dänemark war mein erster Wechsel ins Ausland und ich bin stolz eine der ersten Spielerinnen gewesen zu sein, die aus der deutschen Bundesliga in die stärkste Liga der Welt nach Dänemark wechseln konnte. 

Ich habe mich in Randers wirklich sehr gut und schnell eingelebt und Anschluss gefunden. Auch die Sprache habe ich schnell gelernt, was bis heute auch dazu beiträgt, dass ich mich in Dänemark so wohlfühle. Insgesamt bin ich sechs Jahre beim Randers HK geblieben (von 2006 bis 2012). Meine Lebensgefährtin und heute Ehefrau Susann Müller, folgte mir damals auch nach Dänemark zum Handballspielen, bevor wir uns entschieden 2012 Randers zu verlassen und nach Slowenien zu wechseln. 

Ich spielte bis 2014 in Krim Ljubljana, aber muss ehrlich sagen, dass es mir nicht ganz so einfach fiel wie der Wechsel nach Dänemark. Die Sprache fiel mir trotz Sprachkurs schwer, obwohl ich gerne neue Sprachen lerne. Trotzdem fühlte ich mich im Team wohl und die Spielerinnen der internationalen Mannschaft sprachen Englisch was mir natürlich dann entgegenkam. Im Gegensatz zu der starken Liga in Dänemark hatte unser stark aufgestelltes Team in der slowenischen Liga keine Konkurrenz und wir gewannen in meinen zwei Jahren dort zweimal hintereinander die Meisterschaft und Pokal. Wir nutzten die meiste Zeit hauptsächlich als Vorbereitung auf die Champions League, in der wir 2013 auch das Halbfinale erreichten. In meiner Zeit dort vor allem in der Champions League habe ich sehr viel gelernt und durfte viele Erfahrungen sammeln. Leider nahm meine Zeit in Slowenien kein schönes Ende. Da ich in meinem zweiten Jahr sieben Monate lang kein Gehalt bekam, war ich schließlich gezwungen zu gehen. Daraufhin wechselte ich zum Verein Siófok KC nach Ungarn. Siófok war im Gegensatz zu heute, damals noch relativ unbekannt und es spielten außer mir und zwei weiteren Spielerinnen in meinem Team hauptsächlich ungarische Handballerinnen. Einmal die Woche besuchte ich auch hier einen Sprachkurs, jedoch muss ich sagen, dass die Sprache nochmal weitaus schwerer ist als Slowenisch, was den Alltag dort nicht einfacher machte. Die Zeit in der ungarischen Liga und mit meinem Team dort waren aber sehr lehrreich für mich, auch wenn sie leider ein ähnliches Ende nahm wie auch in Slowenien. 


Susi war zu dieser Zeit in Győr unter Vertrag. Wir bekamen 2015 gemeinsam ein Angebot aus Bietigheim und gingen daraufhin wieder zurück nach Deutschland. Drei Jahre spielten wir erfolgreich in Bietigheim bis es uns 2018 zurück nach Dänemark in unsere zweite Heimat zog. Zurück in Randers wurde ich jedoch von meinem persönlichen Sponsor nicht bezahlt und hatte quasi kein Einkommen. Zu dieser Zeit wohnten Susi und ich in Silkeborg, wo sie Handball spielte. Mit einem täglichen Fahrtweg von 40 km nach Randers und keinem Einkommen, war das aber nicht weiter möglich und musste deshalb im Dezember meinen Vertrag mit dem Verein auflösen. Überraschend aber glücklicherweise kam kurz darauf ein Angebot aus Thüringen und ich kehrte nach Deutschland zurück. Für ein halbes Jahr spielte ich dort und holte 2019 gegen meine alte Mannschaft aus Bietigheim den Pokalsieg mit dem Thüringer HC. 


Die Höhepunkte und besonderen Momente meiner Karriere? Ganz klar mit darunter meine Zeit bei der Nationalmannschaft! Im Februar 1999 hatte ich mein erstes Länderspiel in der A-Nationalmannschaft damals war ich 18 Jahre alt.  2003 spielte ich meine erste Weltmeisterschaft in Kroatien, meine zweite 2005 war dann in Russland. Eins der größten Erlebnisse mit der Nationalmannschaft war die Bronzemedaille 2007 in Frankreich. Insgesamt habe ich an vier Europameisterschaften teilgenommen. Das i-Tüpfelchen war aber definitiv die Teilnahme an der Olympiade 2008 in Peking. Das war einfach ein mega Erlebnis und vor allem an die Eröffnungsfeier erinnere ich mich gerne zurück. Einfach das besondere Gefühl der Gemeinschaft aller Sportler, egal aus welcher Sportart, hat mich damals richtig fasziniert. Ich wünsche jedem Sportler, dass eine solche Möglichkeit irgendwann aufkommt und man sowas mal erleben kann! Insgesamt spielte ich 197 Länderspiele und erzielte knapp 500 Tore. Meine letzten zwei Jahre war ich zudem Mannschaftsführerin, was mich wahnsinnig stolz machte. Denn für mich war es eine Riesen Ehre die Mannschaft aufs Feld zu führen.  


Mit 38 Jahren im Sommer 2019 beendete ich dann meine Handballkarriere nach dem Pokalsieg gegen Bietigheim. Für mich war das der perfekte Abschluss. Der Abschluss einer unglaublichen Zeit, mit Erfahrungen, Emotionen, Erfolgen aber natürlich auch Rückschlägen, die mir niemand mehr nehmen kann, ich aber auch niemals hergeben möchte. Ich bin körperlich zwar immer noch mega fit und ich hatte auch echt noch Bock zu spielen. Jedoch muss man auch mal sehen, dass ich praktisch noch nie wirklich etwas anderes gemacht habe außer mit all meiner Energie und Leidenschaft Handball zu spielen. Ich habe studiert, diverse Kurse belegt, ein Fernstudium während meiner Zeit in Dänemark gemacht und eine Fitnesstrainerlizenz. Aber Hand aufs Herz, ich hatte 39 Jahre nur Handball im Kopf. 


Ihr möchtet wissen was Nina Müller heute, nach ihrer Handballkarriere macht und wie für sie die Umstellung in einen Alltag ohne Profisport war? Im Artikel Nina Müller: "Ein Leben nach dem Sport gibt es natürlich. Dennoch bleibt immer ein Teil Handball in mir." Über ihre vegane Ernährung erzählt uns Nina in dem Beitrag vegane Erhährung als Leistungssportler


louisa

Autor

louisa

Autorin und Mitgründerin von Athlet.one

Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!