Schwimmen ist vielleicht die beliebteste Sportart der Welt, wenn man Beliebtheit anhand der Zahl an Freizeitsportlern berechnet. So ziemlich jeder war schon einmal im Schwimmbad. Dass Schwimmen auch auf professioneller Ebene niemanden ausschließt, zeigt Verena Schott wohl am besten. Die paralympische Schwimmerin ist schon lange im Wasser zuhause, doch schwimmt heute in einer Kategorie, die oft nicht genug Aufmerksamkeit erfährt.
“Ich habe spät mit Schwimmen angefangen und war hin und weg davon. Das ist eigentlich eine Zufallsliebe geworden ich. Ich war nie so ambitioniert als Kind, mal Leistungssportlerin zu werden. Bei uns in der Familie gab es auch keine Schwimmer. Ich bin damals ins Schwimmbad um Schwimmen zu lernen und dann eigentlich nie wieder weggekommen, weil ich meinen Sport lieben gelernt habe und er für mich mein Ein und Alles war.”
In 2002 hat Verenas Leben im Sport einen schweren Schock erlitten, als sie auf dem Fahrrad von einem Transporter erfasst wurde. Als Resultat des Unfalls ist sie seitdem auf den Rollstuhl angewiesen. Das Erlebnis, das für viele schwerwiegend traumatisch gewesen wäre und auch Verenas Leben erstmal von Grund auf veränderte, war nicht in der Lage, die ambitionierte Sportlerin unterzukriegen.
“Eigentlich war es für mich nicht so ein großes Problem, nach dem Unfall wieder in den Sport zurückzufinden. Als ich damals wieder aufgewacht bin, wollte ich als Erstes wissen, ob ich wieder Schwimmen kann. Die Ärzte meinten ‘ja’ und das war für mich dann auch voll okay. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, und wieder in meinen Alltag zurückgekommen bin, bin ich einfach wieder in meinen alten Verein zurück und die haben auch vieles ermöglicht, dass ich wieder langsam starten konnte. Und dann hat sich das so entwickelt, dass ich ein paar Jahre später nach Leipzig gegangen bin, zu einem Behindertensportverein, dem BV Leipzig.”
Natürlich haben sich die Dinge seit dem Unfall etwas verändert. Der professionelle Behindertensport ist anders aufgebaut als die bekanntere olympische Version der Disziplin. Da Sportler mit unterschiedlichen Behinderungen und demnach mit unterschiedlichen Einschränkungen in die Disziplin kommen, ist der Sport in verschiedene Startklassen unterteilt.
“Mit den Startklassen ist es mega kompliziert. Es wird anhand von Punkten, die im Schwimmen und im körperlichen spezifiziert sind deine Startklasse berechnet. Da entsteht dann innerhalb einer Startklasse ein Punkteabstand von 10 bis 20 Punkten und da befindest du dich entweder oben, in der Mitte oder unten. An sich schwimmen wir in unseren Startklassen bei Großereignissen, was auch gut ist, aber wenn natürlich nicht genügend Leute in einer Startklasse sind, kann man natürlich auch in einer höheren Startklasse antreten, wird aber dann natürlich mit dieser gewertet, wie bei den Paralympics, oder der WM oder EM. Das ist natürlich total doof, aber man kann wenigstens schwimmen. Dann gibt es wiederum Wettkämpfe wie unsere deutschen Meisterschaften an denen jeder gegen jeden antritt und die jeweiligen Punkte der Startklasse umgerechnet werden, damit es halbwegs fair ist. Aber wie gesagt, es ist nie 100% fair.”
Neben den Eigenheiten ihrer Disziplin, hatte Verena im Verlauf ihrer Karriere auch mit einigen weiteren Komplikationen zu kämpfen. Im Sport sind Verletzungen vorprogrammiert, doch Verena musste auch schon zwei andere Sportpausen einlegen. Sie ist heute Mutter von zwei Söhnen.
“Es gab wie bei jedem anderen in meiner Karriere bislang Höhen und Tiefen, und wieder Tiefen, dann wieder Höhen. Nach der Schwangerschaft wieder ins Training zu finden war sehr schwierig, das Hoch kam dann natürlich mit dem Erfolg, den ich habe, aber mit dem kommt natürlich auch der Druck, den man wirklich lernen muss, nicht an sich heranzulassen. Das ist das Beste was man machen kann, sonst kann es einen kaputt machen. Man muss eben lernen damit umzugehen. Und natürlich habe ich fast jedes Jahr Verletzungen, weswegen ich zeitweise pausieren muss. Aber letztendlich bin ich dann doch immer wieder zurück gekommen. Natürlich kommen da manchmal Zweifel auf. Man muss sich immer wieder aufs neue aus der Situation herauskämpfen. Aber am Ende ist man mega stolz, wenn man wieder bei einem Großereignis ist und da dann seine Bestleistung abrufen kann und sich durchgebissen hat.”
Mit Schwangerschaft kommen natürlich Kinder, zwei aktuell, von denen erst seit kurzem beide in der Schule sind. Natürlich kann es schwer sein, eine Karriere als Profisportlerin mit dem Leben als Mutter zu vereinen, doch Verena hat da eine gute Arbeitsteilung gefunden.
“Es ist natürlich nicht immer einfach und man hat einen genauen, nicht gerade entspannten Tagesplan. Man steht auf, macht die Zwerge fertig, man bringt sie mittlerweile zur Schule, fährt zum Training, macht sein Training, fährt nach Hause, holt die Zwerge wieder ab und ist dann halt komplett wieder Mama. Es ist wie zwei Leben, vormittags ist man die Leistungssportlerin und Nachmittags muss man Vollzeit-Mami sein. Ist nicht immer einfach, aber man wächst ja an sich selbst. Meine Kinder geben mir auch ganz viel zurück. Die sind total begeistert von dem, was ich mache, und sind auch stolz, wenn ich dann zu großen Wettkämpfen fahre. Beide schwimmen nun auch und das macht mich unglaublich stolz. An sich lässt es sich wirklich ganz gut unter einen Hut bringen. Man lernt viele Dinge aus dem Sport, die man in das Leben als Mama mit hineinnehmen kann und als Mama wiederum Dinge, die man in den Sport hineinbringen kann.”
Doch ihr Sport erfährt nicht nur Veränderung durch die Erfahrungen die Verena macht. Die Paralympics haben heutzutage wohl mehr Aufmerksamkeit von den Medien als sie je zuvor hatten, jetzt wo das Internet es deutlich einfacher macht, sich so breitgefächert zu informieren, wie man möchte und Sportlern individuell eine Plattform bietet auf sich aufmerksam zu machen.
“Wir haben gesehen, dass es medial immer weiter voranschreitet und dass immer mehr Interesse besteht auch jetzt in den nichtparalympischen Jahren. Natürlich kann es immer mehr sein, wenn ich mir anschaue, wie es in anderen besonders olympischen Sportarten läuft, da gibt es ein viel weiteres Spektrum. Aber an sich finde ich, dass wir schon auf einem guten Weg sind. Man sieht im Fernsehen mehr, es gibt viel mehr Berichte über paralympische Sportler. Auch in anderen Bereichen sieht man, dass paralympische Sportler immer mehr eingebracht werden, ob das in Shows ist, ob in Interviews oder in Büchern. Man findet immer mehr Spektren, in denen auch paralympische Sportler vorhanden sind. Ich glaube auch, dass das immer besser wird, wenn Menschen verstehen, dass es halt nichts anderes ist, als der ganz normale Sport.”
Verena ist auch nicht nur als Athletin in ihrem Sport aktiv. Sie hat auch die Rolle als Aktivensprecherin im deutschen Behindertensportverband für die Abteilung Schwimmen übernommen. Dazu ist sie auch noch die Sprecherin der deutschen Nationalmannschaft. Das alles ist neben der Familie und dem Sport an sich natürlich eine ganze Menge Mehrarbeit, aber Arbeit, die Verena als selbstverständlich und wichtig betrachtet.
“Als Teamsprecherin bin ich dafür da, dass die aktiven sich an mich wenden können, wenn sie Probleme haben, mit anderen Sportlern, mit ihren Trainern, in Trainingslagern. Dass sie einen Ansprechpartner haben, der so wie sie ein Sportler ist und nicht ein Trainer oder Betreuer, der die Probleme dann direkt zur Bundestrainerin trägt. In dem Sinne kann ich auch manche Probleme nachempfinden, was auch wieder ganz gut ist für unsere jüngeren Sportler, die wir in die Nationalmannschaft einbringen wollen. Ansonsten ist man halt mal bei einer Versammlung und dem Vorstand und versucht das Bindeglied zu den Aktiven zu sein. An sich ist es nicht unglaublich viel Arbeit. Als erfahrene Sportlerin, ist es für mich eine ganz normale Aufgabe für die jüngeren Sportler dazusein und den älteren beizustehen, falls es Probleme gibt.”
In der Karriere für sich hatte Verena auch schon einige Erfolge zu verbuchen, darunter auch eine paralympische Medaille. Sie blickt auf ihre bisherigen Paralympics-Erfahrungen jedoch gespalten zurück.
“Die ersten Paralympics waren ein Traum, den man sich gewünscht aber es nie so wirklich geglaubt hat, als man mit der Medaille gekrönt wurde. Und Rio war dann das ganze Gegenteil, das war ein Traum, den man hatte und der dann zerbrochen ist, mit den vierten Plätzen die ich belegte. Rio war wirklich ein Punkt, der ganz schwer für mich war. Das Ereignis hat mich auch ganz schwer getroffen und mitgenommen. Wenn ich heute trainiere, denke ich immer noch an Rio zurück und möchte schneller werden, damit mir das nicht nochmal passiert.”
Im Bezug auf ihre Zukunft ist Verena offen dafür, was als Nächstes auf sie zukommt. Das Leben als Profisportler im Corona-Jahr und das Leben als Mutter sind beide nicht immer berechenbar.
“Zurzeit ist natürlich das Ziel, dass nächstes Jahr hoffentlich die Paralympics stattfinden und dass ich da dann mitmischen kann und mir vielleicht doch noch einmal einen Traum erfüllen kann. Ansonsten bin ich jemand, der nicht mehr so langfristig schaut und gelernt hat, dass ich lieber erstmal auf morgen schaue, bevor ich an übermorgen denke. Mit zwei Kindern kann es ganz schnell gehen, dass übermorgen und der Tag danach gecancelt werden müssen.”
Verena nimmt potenzielle Barrieren und Probleme mit einem Lächeln und geht entspannt an ihre Aufgaben als Paralympics Schwimmerin und vor allem auch Mutter ran. Sie hat die Balance in ihrem Leben gefunden und wir wünschen ihr nur das Beste auf ihrem weiteren Weg.
Autor
louisa
Autorin und Mitgründerin von Athlet.one
Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Spitzensport hat Louisa De Bellis den Durchblick in der Welt der Athlet:innen. Als ambitionierte Handballerin ist sie in der deutschen Sportlandschaft bestens vernetzt, führt Interviews mit Sportler:innen und teilt ihre Expertise auf Athlet.one!